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Überlastet: 6 Wege, wie Journalistinnen und Journalisten leichter Nein zu noch mehr Arbeit sagen

Überlastet: 6 Wege, wie Journalistinnen und Journalisten leichter Nein zu noch mehr Arbeit sagen Mediencoach Attila Albert

Wenn neue Projekte dazukommen oder Stellen gestrichen werden, heißt das für das bestehende Team: Mehr Arbeit in derselben Zeit, meist auch für dasselbe Gehalt. Mancher traut sich trotzdem nicht, einmal Nein zu sagen. Mediencoach Attila Albert über sechs Wege, wie Ihnen das leichter fällt.

Berlin – Die ersten Wochen eines neuen Jahres sind diejenigen, in denen man noch am meisten entschlossen ist, es diesmal anders anzugehen. Nutzen Sie daher jetzt den Schwung, etwas zu ändern, das Ihnen besonders wichtig ist. Für viele Medienprofis ist das die ständige Überlastung: Immer mehr Arbeit in derselben Zeit, meist auch für dasselbe Gehalt. Das ist einerseits logische Folge immer neuer zusätzlicher Kanäle und Projekte, auch aus dem Corporate-Bereich. Aber auch wenn wieder einmal Stellen gestrichen werden, wie aktuell beispielsweise bei der Südwestdeutschen Medienholding, entfallen die bisher dort erledigten Aufgaben meist nicht ersatzlos, sondern gehen an das verbliebene Team.

 

In dieser Kolumne sind fehlende Grenzen, unbezahlte Überstunden und Überlastung regelmäßige Themen. Heute soll es um sechs gedankliche Tricks gehen, um leichter Nein zu noch mehr Arbeit zu sagen. Sie helfen Ihnen bei der Rechtfertigung sich selbst gegenüber, nicht mehr alles hinzunehmen, sondern mehr für sich einzustehen.

 

1. Bedenken, dass Ihre Ressourcen begrenzt sind

Ihr Arbeitgeber hat Sie für eine vertraglich vereinbarte Stundenzahl (z. B. 38 Stunden pro Woche) angestellt, Ihnen zudem Arbeitsmittel und eventuell ein Budget bereitgestellt. Das sind Ihre Ressourcen, und Sie sind erkennbar begrenzt. Bedenken Sie also bei allem, was Ihnen zusätzlich angetragen wird: Kann ich das überhaupt leisten? Es ist nicht ehrenrührig zu sagen: „Das kann ich nicht auch noch. Dann müssten wir etwas anderes streichen.“ Das ist eine unangenehme Diskussion, aber besser, als danach allein damit dazustehen.

 

Praxistipp: Lassen Sie sich nicht durch Beschwichtigungen („Das kriegen Sie schon hin!“) oder Drohungen („Soll ich Sie mal organisieren?“) lenken. Sprechen Sie am besten die Aufgaben gemeinsam durch und schätzen den Zeitbedarf ab. Dabei sehen Sie auch, ob Ihr Chef rational mit sich reden lässt oder nur schnell loswerden will, was ihn belastet.

 

2. Immer wissen, was entscheidend ist

Auf die meisten Arbeitnehmer strömt eine Vielzahl von Aufgaben ein, kaum dass sie nur das Büro betreten haben. Mancher verlässt es nach einem anstrengenden Tag müde wieder, hat aber den Eindruck, „nichts geschafft“ zu haben. Beides zeigt fehlende Prioritäten. Sie arbeiten ab, was am meisten drängt und erledigen die Aufträge von denjenigen, die am stärksten Druck machen. Diese Arbeitsweise erschöpft und kann Ihnen auch finanziell schaden (z. B. bei der Beurteilung für den Jahresbonus, wenn Sie offiziell andere Ziele hatten).

 

Praxistipp: Ihre Stellenbeschreibung bzw. Jahresziele sollten prozentuale Gewichtungen Ihrer Aufgaben enthalten. Dann können Sie diese in entsprechende Anteile Ihrer Arbeitszeit umrechnen und im Kalender blockieren. Das macht es leichter, zusätzliche Aufgaben begründet abzulehnen: „Ich bin für diesen Zeitraum schon für das Projekt XY verplant!“

 

3. Daran erinnern, was darunter leiden wird

Da Ihre Ressourcen begrenzt sind, geht jede Aktivität zulasten einer anderen (sogenannte „Opportunitätskosten“). Halten Sie sich deshalb immer vor Augen, was Sie nicht mehr werden erledigen können, wenn Sie eine bestimmte zusätzliche Aufgabe annehmen. Lohnt sich dieser Tausch? Diese Überlegung unterstützt Sie dabei, über Ihre Prioritäten nachzudenken, auch hart zu verhandeln. Prioritäten bedeuten mehr als eine Rangfolge der Erledigung. Sie schließen ein, dass manches unbedeutend oder ganz gestrichen wird.

 

Praxistipp: Haben Sie immer einen Überblick über Ihre Aufgaben und den Zeitbedarf, am besten in einem Projektmanagement-Tool. Gerade fortlaufende Verantwortungen werden oft vergessen, reduzieren aber dauerhaft Ihre verfügbare Zeit (z. B. Betreuung von Social-Media-Kanälen, wiederkehrende Blogs oder Podcasts, Materialien aktuell halten).

 

4. Klären, wer Sie überhaupt beauftragen darf

Grundsätzlich wollen die meisten Menschen hilfsbereit sein, andere unterstützen und nicht als jemand dastehen, der seine Kollegen im Stich lässt. Gelegentlich wird diese schöne Einstellung aber gezielt ausgenutzt. Klären Sie dann offiziell, wer Sie beauftragen darf – damit Sie nicht in die Lage geraten, ständig Aufgaben zu erhalten, die jemand anders gut oder wichtig findet, aber Sie umsetzen lassen will. Grundsätzlich gilt: Alle Aufgaben brauchen entweder Stellen oder ein Budget, um sie extern (Freie, Agentur) zu vergeben.

 

Praxistipp: Wenn es bei Ihnen kein Organigramm mit vermerkten Berechtigungen gibt, wer Ihnen Anweisungen geben darf, lässt sich das eventuell im Mitarbeitergespräch klären und festhalten. Möglicherweise ist es Ihnen anfangs unangenehm, diese Entscheidung einzufordern. Sie ersparen sich damit aber zukünftig viele Zurückweisungen auf eigenes Risiko.

 

5. Davon lösen, dass Sie „Gefallen“ tun

Auch wenn Sie sich mit Vorgesetzten und Kollegen gut verstehen und, wie heute üblich, freundschaftlich locker miteinander umgehen, ändert das nichts daran, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt. Das heißt: Auch wenn es sich wie ein „Gefallen“ anfühlt oder sogar so bezeichnet wird („Kannst du mir schnell mal einen Gefallen tun?“), handelt es sich um Aufgaben, die Ihnen zugewiesen oder angetragen werden. Es ist erlaubt, sie höflich, aber klar abzulehnen: „Das kann ich leider nicht annehmen, ich bin ausgebucht.“

 

Praxistipp: Wenn Sie feststellen, dass Chefs oder Kollegen ständig ungeplante Aufgaben an Sie vergeben wollen, die Sie „mal schnell nebenbei“ erledigen sollen, regen Sie dafür einen Workshop an. Das Team braucht objektive Kriterien, mit denen jeder verbindlich weiß, was er von wem annimmt und was nicht mehr – unabhängig von persönlichen Sympathien.

 

6. Grenzen setzen für den Lerneffekt

Ganz ausgewogen ist das Verhältnis zwischen Aufgaben, Wünschen und Ressourcen nie. Sie sollten aber bewusst entscheiden, wie weit und wie lange Sie eine große Lücke zwischen beidem auffangen wollen (z. B. durch eine extrem verdichteten Arbeitszeit oder Überstunden, die weder bezahlt noch abgegolten werden). So lange es läuft, werden Ihre Vorgesetzten keinen Handlungsbedarf sehen - „funktioniert doch“. Manchmal kann es nötig sein, ein Projekt mit Ansage scheitern zu lassen, damit endlich umgedacht wird.

 

Praxistipp: Lassen Sie sich nicht subtil zu der Wahrnehmung drängen, dass Sie persönlich für etwas verantwortlich seien, das Sie weder beschlossen haben noch groß beeinflussen können. Verantwortung, Ressourcen und Entscheidungsbefugnisse gehören zusammen. Ansonsten kann es für Sie sicherer sein, eine angebotene Verantwortung abzulehnen.

 

Wenn Sie bei den Empfehlungen nur sarkastisch lachen konnten („Geht bei uns gar nicht“, „Schön wär's“, „Hat gut reden!“), dann haben Sie bereits Klarheit: Sie wissen, dass Ihre Spiel- und Verhandlungsräume zu klein sind. Verlieren Sie dann nicht noch mehr Zeit mit Abwarten, Aushalten und Hoffen. Von selbst wird sich das nicht lösen. Konzentrieren Sie sich in diesem Fall ganz auf einen zeitnahen Wechsel.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Hass-Kommentare

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.