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Schlecht bezahlt als Journalist – was soll man wegen anderer Vorteile hinnehmen, was nicht?

Schlecht bezahlt als Journalist – was soll man wegen anderer Vorteile hinnehmen, was nicht? Mediencoach Attila Albert

Niedrige Umsätze oder Tagespauschalen, geringes Gehalt als Berufsanfänger oder junge Führungskraft: Viele Medienprofis empfinden sich als schlecht bezahlt. Was soll man wegen anderer Vorteile hinnehmen, was nicht? Praktische Empfehlungen dazu von Mediencoach Attila Albert.

Berlin – Eine freie Wissenschaftsjournalistin war schon seit längerem unglücklich mit dem Magazin, für das sie – neben anderen Titeln – monatlich schrieb. Sie bekam für ihren Beitrag 180 Euro, musste dafür aber drei bis vier Seiten füllen. Das war ihr schon immer zu wenig. Aber es war immerhin ein berechenbarer Teil ihres Einkommens. Ihr Name erschien in einem renommierten Titel, was gelegentlich andere Aufträge nach sich zog, und sie interessierte sich für die Themen. Doch zunehmend verlangte der Chefredakteur nach Ablieferung immer noch Änderungen, die sie zusätzlich Zeit kosteten. Sollte sie ihre Mitarbeit beenden?


Eine Online-Redakteurin hatte ihre Stelle nach einem sechsmonatigen Praktikum erhalten, ihre erste Anstellung überhaupt. Sie verdiente 1.900 Euro brutto, was für sie anfangs eine willkommene finanzielle Verbesserung darstellte. Sie lebte noch in einem WG-Zimmer und hatte geringe persönliche Ausgaben. Zudem war sie stolz, es in den Journalismus geschafft zu haben. Doch als sie später hörte, was die Redakteure im Stammhaus verdienten, kam sie sich betrogen vor. Allerdings war bisher keine ihrer Bewerbung anderswo erfolgreich. Sollte sie trotzdem kündigen, um sich nicht mehr länger „unter Wert zu verkaufen“?

 

Ein zu geringes Einkommen ist ein Problem, das Medienprofis im Coaching oft ansprechen. Vier Gruppen betrifft es besonders: Selbstständige (z. B. freie Reporter), Pauschalisten, Berufsanfänger und junge Führungskräfte. Ihre Herausforderungen sind unterschiedlich. Gleichwohl bieten sich ähnliche Lösungsansätze an.

 

Selbstständige: Einnahmen genauer analysieren

Ein wichtiger Schritt für Freiberufler ist es, ihre Einnahmen regelmäßig zu analysieren. Das heißt: Die Umsätze und den Zeitbedarf pro Auftraggeber aufzulisten und zu addieren, etwa für das vergangene Jahr. Dabei sehen Sie, wie relevant jeder Auftraggeber für Sie wirklich ist (Anteil am Jahresumsatz). Aber auch, wie viel Zeit er Sie gekostet hat. Wenn Sie den Umsatz durch die Stundenzahl teilen, haben Sie mit dem erzielten Stundensatz einen guten Vergleichswert. Das ist nicht das alleinige Kriterium, um sich eventuell von einigen Kunden zu trennen, die Ihnen zu viel Mühe machen. Aber Sie haben damit mehr Objektivität.

 

Wer gar keine Vorstellung von marktüblichen Stundensätzen hat: Realistisch sind 45 bis 55 Euro für Korrekturen oder Lektorat, 55 bis 65 Euro für Newsletter- oder Social-Media-Pflege, 70 bis 80 Euro für Textarbeiten, 90 bis 140 Euro für Beratungsleistungen. Garantiert ein Kunde ein größeres Auftragsvolumen pro Monat, erhält er Rabatt. Bei spezialisierten Texten sind Wortpreise üblich. Üblich bei diesem Ansatz: 60 bis 90 Cent pro Wort für Fachartikel oder Pressetexte zu anspruchsvollen Themen (z. B. zu technischen Fragen) plus einem Aufschlag von bis zu 40 Prozent für Projektmanagement, Überarbeitungen, Absprachen.

 

Es gibt Redaktionen, die zwar scheinbar solide zahlen, aber nach Abgabe derart viele Änderungs- und Zusatzwünsche haben, dass Ihre Kalkulation nicht mehr stimmt. Das ist nicht per se schlimm, sollte Sie aber dazu anregen, den erwartbaren Zusatzaufwand vorab einzukalkulieren oder nachträglich in Rechnung zu stellen. Natürlich in Absprache. Aber damit disziplinieren Sie sich selbst: Als Profi arbeiten Sie nicht gratis. Sie erziehen damit auch Ihre Auftraggeber ein wenig. Wenn es Geld kostet, wird nicht mehr jede halbgare Idee des Chefredakteurs direkt zur Umsetzung an Sie durchgereicht, sondern erst überlegt.

 

Wichtigste Taktik hier: Trennen Sie sich regelmäßig von Auftraggebern, die wenig Umsatz bringen oder zu viel Aufwand machen. Nur dann finden Sie die Zeit, Kraft und Kreativität, guten Kunden mehr Leistungen anzubieten (sie „zu entwickeln“) und um neue zu werben.

Pauschalisten: Ein Blick auf den Stundenlohn

 

Auch für Pauschalisten lohnt sich solch ein Vergleich. Zwar gibt die monatliche Pauschale eine gewisse Sicherheit. Man fühlt sich auch als Teil des (angestellten) Teams. Aber trotz der Zahlungsweise handelt es sich nicht um ein Gehalt, sondern ebenfalls um einen Umsatz. Ein Pauschalist trägt viele Kosten, etwa für seine Versicherungen, selbst und müsste daher deutlich mehr verdienen als seine angestellten Kollegen. In der Praxis sieht das inzwischen oft anders aus. Ein Beispiel: Die Redaktion einer großen Tageszeitung zahlt Pauschalisten heute meist 120 Euro pro Tag, vor einigen Jahre waren es noch 250 bis 300 Euro. Bei acht Arbeitsstunden pro Tag sind das nun 15 Euro pro Stunde – als Brutto-Umsatz. 

 

Wer keinerlei Vorstellungen von einem realistischen Betrag hat, könnte sich für eine erste Orientierung den aktuellen Gehaltstarifvertrag für Redakteure für seinen Medientyp (z. B. Tageszeitung oder Zeitschrift) ansehen. Auch wenn das Medium, für das Sie arbeiten, den Tarifvertrag nicht anwendet, erhalten Sie so einen ungefähren Anhaltspunkt. Als Pauschalist sollten Sie 15 bis 20 Prozent über den genannten Gehältern von Festangestellten liegen, da Sie – anders als diese – ein gewisses unternehmerisches Risiko und auch Kosten selbst tragen. Liegen Sie deutlich darunter, verdienen Sie zu wenig für das, was Sie leisten. 

 

Eine echte Tagespauschale ist sinnvoll bei einem einmaligen oder kurzfristigen Einsatz, etwa für einen Workshop, Vortrag, eine Beratung oder Schulung. Die Spannen hier sind sehr groß. 2000 Euro pro Tag gelten als durchschnittlich – durchaus in der Spanne von 1000 bis 3000 Euro, je nach Kunde und Aufwand. Zu diesem Preis werden natürlich nur wenige Tage gebucht. Wenn Sie in Teil- oder Vollzeit als Pauschalist arbeiten, haben Sie zwar einen Vorteil: Sie sind ausgelastet und müssen sich nicht immer wieder um neue Aufträge bemühen. Das bezahlen Sie aber mit empfindlichen Preisabschlägen auf die Pauschale.

 

Wichtigste Taktik: Begrenzen Sie die Dauer Ihrer Pauschalisten-Tätigkeit. Schärfen Sie Ihr Profil und Angebot inhaltlich und stärken Sie Ihr Netzwerk, um entweder in eine echte Selbstständigkeit zu wechseln oder bessere Chancen auf eine Festanstellung zu haben.

 

Festangestellte: Nicht ewig dankbar sein 

Berufsanfänger und junge Chefs befinden sich, obwohl an unterschiedlichen Punkten der beruflichen Laufbahn, in einer ähnlichen Situation. Sie sind dankbar und stolz, die Stelle und damit Chance bekommen zu haben. Über das Gehalt wollen und können sie oft gar nicht lang verhandeln. Fast immer gibt es mehrere Bewerber, und wer noch wenig Erfahrung und Einfluss hat, kann wenig fordern. Auf Dauer ist Dankbarkeit aber keine Kategorie, in der Sie denken sollten. Sondern: Was ist der Tätigkeit und Verantwortung, die Sie übernehmen, angemessen? Entscheidend ist nicht der Titel, sondern Ihr praktischer Arbeitsalltag.

 

Manche Vorgesetzte haben raffinierte Taktiken entwickelt, um junge, unerfahrene Mitarbeiter mit Versprechen anzulocken und dann hinzuhalten. Oft verbunden mit der unterschwelligen oder offenen Suggestion, sie müssten sich erst bewähren – und das, obwohl sie das bereits seit langem tun. Das darf für die Probezeit plus drei bis sechs Monate gelten. Danach sollte auch ein junger Profi darauf bestehen, als solcher behandelt werden. Die Diskussion an diesem Punkt kann unangenehm und menschlich enttäuschend sein, vor allem, wenn Sie mit Ihrem Vorgesetzten privat befreundet sind oder es sich um einen Förderer handelt.

 

Es handelt sich dabei aber um einen wichtigen Moment der persönlichen Emanzipation: Sie wollen auf Augenhöhe behandelt werden, und das drückt sich in einem professionellen Verhältnis im Gehalt aus. Auch hier könnten Sie für einen realistischen Wert zuerst den Gehaltstarifvertrag konsultieren. Für junge Führungskräfte: Tarifstufe 3 oder 4 aufwärts, meist sollen 4500 bis 5500 Euro pro Monat durchbrochen werden. Ehrlicherweise lassen es viele Medienhäuser darauf ankommen und bieten ein deutlich besseres Gehalt erst an, wenn Sie Ihre Kündigung ausgesprochen haben. Bereiten Sie daher immer parallel eine Alternative vor, ehe Sie hart verhandeln – als echte Option und zu Ihrer Sicherheit.

Wichtigste Taktik: Reiben Sie sich nicht ewig mit zermürbenden Verhandlungen auf, lassen Sie sich auch nicht in einem emotionalen Streit hineinziehen. Bewerben Sie sich nach ein bis drei Jahren im Job aktiv für formell höhere Stellen, intern oder extern.

 

Wer seit langem zu wenig verdient, hat Gründe, warum er das bisher hingenommen hat. Fast immer zählen dazu: Der Auftrag- oder Arbeitgeber hat einen guten Ruf und könnte damit dem eigenen Ansehen helfen, die Arbeit ist interessant, das Netzwerk kann zu anderen Aufträgen verhelfen, man mag den Chef. Bedenken Sie aber, dass Sie bei einem geringen Einkommen zweifach verlieren: Das laufende Einkommen ist zu niedrig. Zusätzlich vergeben Sie damit die Chance, woanders mehr aus Ihren Fähigkeiten zu machen (das sind Ihre „Opportunitätskosten“). Begrenzen Sie also die Phasen, in denen Sie zuzahlen.

 

Jeder findet sich einmal in der Situation wieder, in der er nicht gut verhandeln kann oder sogar froh sein muss, überhaupt etwas zu bekommen. Aber das heißt nicht, dass Sie das als Dauerzustand akzeptieren müssen. Es ist keine Schande, eine finanzielle Verbesserung zur höchsten Priorität zu machen, auch wenn Arbeitgeber gern andere Aspekte – interessante Aufgaben, Teamgeist, Sinnhaftigkeit – in den Vordergrund stellen. Ein angemessenes Einkommen schließt weitere Vorteile nicht aus.

 

Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis aus Journalismus, PR und Unternehmenskommunikation als Coach. Schwerpunkt: Berufliche und persönliche Neuorientierung. Im April 2020 erschien sein Buch: „Ich mach da nicht mehr mit“ (Gräfe und Unzer). Mehr als 20 Jahre hat er selbst als Journalist gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“ in Chemnitz, „Bild“ und „Blick“. Für einen Schweizer Industriekonzern baute er die globale Marketingkommunikation mit auf. Er hat Betriebswirtschaft und Webentwicklung studiert.


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