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Dauer-Single, späte Ehe, ein Kind: Medienprofis im Wandel

Dauer-Single, späte Ehe, ein Kind: Medienprofis im Wandel Attila Albert

Werte, Beziehungen, Lebensmodelle – vieles hat sich in einer Generation verändert. Coach Attila Albert über neue Chancen, persönliche Herausforderungen und den Umgang damit.

Berlin – Wie sehr sich das gesellschaftliche Leben innerhalb weniger Jahrzehnte verändert hat, lässt sich in den Statistiken ablesen. Aber Medienprofis stellen auch im persönlichen Vergleich – schon mit ihren Eltern – fest, dass bei ihnen vieles anders ist. Sie haben mehr Möglichkeiten, mehr Freiheiten, leben auch nach anderen Werten. Das eröffnet neue Chancen, schafft aber auch Herausforderungen. Während es in meinen Beratungen meist um berufliche Themen geht, kommen auch diese Aspekte immer wieder zur Sprache, denn der Job steht nicht für sich allein, sondern ist auf vielfache Weise mit Beziehung und Familie verbunden.


Eine besondere Rolle spielt das, wenn Medienprofis sich Grundsatzfragen stellen: Wie soll es für mich weitergehen – wie will ich zukünftig leben, was ist mir jetzt im Privaten wichtig? Zum Beispiel: Endlich mehr Zeit für den Partner zu haben, wenn man sich bisher vor allem der Arbeit gewidmet hat, zudem eventuell gependelt ist. Ebenso gilt das, wenn praktische Herausforderungen zu bewältigen sind, die zu bestimmten Lebensphasen gehören: Mit eigenen Kindern muss auch das Berufsleben anders organisiert werden, ebenso, wenn älter werdende Eltern mehr Aufmerksamkeit und Hilfe benötigen.


Nur noch jeder Zweite verheiratet
Dabei spielen die Veränderungen gesellschaftlicher Werte und Konventionen – allein schon über die vergangene Generation – eine entscheidende Rolle. So ist heute nur noch rund die Hälfte der Erwachsenen verheiratet, während es vor 30 Jahren noch 60 Prozent waren. Eine Folge, die auch in meinen Coachings regelmäßig zur Sprache kommt: Viele lockere oder ganz ungeklärte Beziehungen. Beispiel: Mehrjährige Fernbeziehungen, bei denen man sich nur gelegentlich für jeweils einige Tage und im Urlaub sieht – und vieles ewig offen bleibt: Soll das so weitergehen, wollen wir doch noch zusammenziehen, gar heiraten?


Wer heiratet, tut das heute im Schnitt zehn Jahre später als in den 70ern; Männer sind dabei typischerweise bereits 35 Jahre, Frauen 33 Jahre. Entsprechend sieht man viele „junge Eltern“, die bereits graue Haare bekommen und es bei einem Kind belassen. Auch das verändert die Dynamik: Gibt es keine Geschwister, sind die Eltern die wichtigsten, lange die einzige Bezugspersonen – mit entsprechend höherem Zeitbedarf trotz vieler praktischer Erleichterungen wie automatischen Haushaltsgeräten, Eltern- und Teilzeit, Homeoffice. Ihr Kind will mit ihnen reden und spielen, weil es daheim niemanden sonst hat (und oft auch nie gelernt hat, sich selbst zu beschäftigen). In der Not wird dann schnell das Handy zur Nanny, obwohl man es sich eigentlich anders vorgenommen hatte.
Enttäuscht von den eigenen Eltern


Mehr als jeder fünfte Erwachsene (22,6 Prozent) ist heute alleinstehend, gegenüber den 80ern hat sich dieser Wert verdoppelt. Mancher hatte selbst mit Mitte 40 noch nie eine längere Beziehung. In jungen Jahren hatte man seine Freunde, die Arbeit, hat sich Ausgehen, Sport und Reisen gewidmet – und plötzlich ist man „übrig geblieben“. Die Guten sind nun vermeintlich alle vergeben, die Verbliebenen will man nicht. Gerade bei Frauen, denen die Grenzen der Biologie plötzlich bewusst werden, kann das zu Panikreaktionen führen – jetzt schnell noch Mutter werden, solange es noch geht, manchmal notfalls mit einem Kurzzeitbekannten, wie ich es bei drei früheren Kolleginnen gesehen habe. (Ein homosexueller Kollege, der Vater werden wollte, entschied sich für Leihmutterschaft mit einem komplizierten Sorgerechtsstreit danach, weil er entgegen der Vereinbarung doch keinen Zugang zu dem Kind bekommen sollte.)


Für Ernüchterung sorgt gelegentlich auch das Verhalten der eigenen Eltern. Gegenüber 1980 leben sie im Schnitt neun Jahre (Männer) bzw. sieben Jahre (Frauen) länger, sind gesünder und aktiver, aber auch viel mehr mit sich beschäftigt. Manche Medienprofis berichten mir enttäuscht, dass sich ihre Eltern – entgegen ihren Erwartungen – gar nicht so interessiert daran zeigen, die Enkel mal zu sich zu nehmen und bei der Betreuung mitzuhelfen. Einige lehnten sogar Bezeichnungen wie „Oma“ bzw. „Opa“ für sich ab und forderten ersatzweise Fantasiebegriffe, weil sie sich „noch nicht so alt fühlen“. Hier zeigt sich auch eine neue Unbeholfenheit, mit Normalitäten wie Älterwerden usw. umzugehen. Was immer zum Leben gehörte, gilt plötzlich als Zumutung.


Bedeutung des Berufs überschätzt
So spielen sich gesellschaftliche Umbrüche – auch der Zusammenbruch langer Traditionen – auf der individuellen Ebene ab, und man muss irgendwie damit umgehen. Zu einem hohen Grad lässt sich das mit einer ganzheitlichen Lebensplanung, möglichst schon in jungen Jahren, vermeiden: Der Beruf ist wichtig, aber niemals alles; Beziehungen aller Art braucht man sein Leben lang, sollte sie daher fortlaufend selbst fördern und pflegen. Auch später, wenn manches nicht so funktioniert hat, wie man es sich vorgestellt hatte, kann man seinen Kurs immer wieder korrigieren und neue persönliche Prioritäten setzen.


Journalisten, die sich schon von Berufs wegen immer auch analytisch und kritisch mit der Gesellschaft beschäftigen, tendieren bei diesen Fragen zum Theoretisieren: Vorwürfe an das Vergangene und Bestehende, dazu Entwürfe, wie es sein müsste. Das kann trösten, hilft einem selbst aber konkret meist nicht weiter. Dazu kommt manche persönliche Verletzung, dass man sich etwa – im Gegensatz zu älteren Kollegen oder den Eltern – selbst mit Mitte 30 nur ein WG-Zimmer leisten konnte, weil die Branche eben auch nicht mehr wie früher ist. Doch auch hier gilt: Man hat immer die Möglichkeit, es selbst zukünftig anders anzugehen – und damit wahrscheinlich ein anderes, für sich passenderes Ergebnis zu erreichen.

 

Zur vergangenen Kolumne: Neue Lebensphase

 

Zum Autor: Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der Freien Presse, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA.

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