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Karriere-Dilemma: Wenn Journalistinnen und Journalisten ihr Spezialgebiet aufgeben wollen

Karriere-Dilemma: Wenn Journalistinnen und Journalisten ihr Spezialgebiet aufgeben wollen Mediencoach Attila Albert

Jahrelang auf ein Gebiet spezialisiert, aber dann ist es einmal genug. Wenn spezialisierte Medienprofis ihre wichtigste Expertise aufgeben wollen, verzichten sie gleichzeitig auf das, was sie von anderen abhebt. Mediencoach Attila Albert über Wege aus diesem Karriere-Dilemma.

Berlin – Ein Redakteur hatte sein komplettes berufliches Leben in People-Redaktionen verbracht. Entsprechend gut war er mit Prominenten und deren Managern bekannt, vertraut mit den Themen der Unterhaltungsbranche und manchem Trick, um Geschichten zu erfahren oder selbst zu arrangieren. Doch nach mehr als 20 Jahren hatte er genug von dieser Welt. Vieles wiederholte sich und manches, was ihn zu Beginn seiner Karriere begeistert oder zumindest amüsiert hatte, stieß ihn nun ab. So sollte es auf jeden Fall kein People-Journalismus mehr sein. Doch für alle anderen Bewerbungen fehlte ihm – Mitte 40 – die Erfahrung.

 

Ähnlich ging es einer Korrespondentin, die lange aus dem Ausland berichtet hatte. Nach ihrer Rückkehr dachte sie über andere berufliche Optionen nach, weil ihr zu Hause nur eine Stelle als einfache Nachrichtenredakteurin angeboten worden war. Es hätte natürlich nahe gelegen, ihre speziellen Sprach- und Landeskenntnisse zu nutzen, indem sie etwa für Unternehmen oder Organisationen aus der Region gearbeitet hätte, in der sie lange aktiv gewesen war. Aber sie sah diese unter dem Einfluß der jeweiligen Regierungen, die sie politisch ablehnte. Exakt mit ihrem Spezialgebiet wollte sie nichts mehr zu tun haben.

 

Es kommt regelmäßig vor, dass Medienprofis ausgerechnet das aufgeben wollen, was sie von anderen abhebt: Ihre Expertise für ein bestimmtes Themenfeld mitsamt den jahrelang aufgebauten Spezialkenntnissen und Kontakten. Die Motivation ist fast immer nachvollziehbar. Meist: Es ist langweilig geworden oder widerspricht den eigenen Werten, die sich verändert haben oder klarer geworden sind. Gleichzeitig ergibt sich daraus vor allem in der Lebensmitte ein Karriere-Dilemma: Wer das aufgibt, was ihn besonders auszeichnet, steht oft mit wenig anderem da. Was tun?

 

Expertise nicht leichtfertig aufgeben

Machen Sie sich klar, dass Sie mit Ihrer Spezialisierung auf das verzichten, was Sie bisher bei Bewerbungen und Gehaltsverhandlungen von anderen abhebt. Falls Sie tatsächlich einen kompletten Berufs- oder Branchenwechsel wünschen, ist das unvermeidbar, kostet Sie aber möglicherweise einen mehrjährigen Übergang mit geringem Einkommen und vielen frustrierenden Ablehnungen. Verzichten Sie daher nicht leichtfertig, vor allem dann nicht, wenn Sie kein Berufsanfänger (unter 30) mehr sind. In den meisten Fällen ist ein schroffer, verlustreicher Wechsel gar nicht notwendig, lässt er sich schrittweise gestalten.

 

Wenige Veränderungen oft schon ausreichend

Präzisieren Sie für sich, was genau Sie an Ihrer bisherigen Tätigkeit stört. Möglicherweise löst schon eine Veränderung das Problem und erlaubt Ihnen, Ihr Profil ansonsten beizubehalten. Beispiel: Sie arbeiten als Medizinredakteur, sind am Thema interessiert, stören sich aber am Einfluss der Pharmahersteller, die gleichzeitig Anzeigenkunden sind. Bei einem Wechsel in die Pharma-PR hätten Sie Klarheit, dass Sie den Hersteller vertreten, beim Wechsel zu einem bewusst neutral konzipierten Titel (z. B. Testzeitschrift) redaktionelle Unabhängigkeit. Beide Optionen lösen das Grundproblem, hier: den Interessenkonflikt.

 

Aspekte, die Sie weiterführen wollen

Entscheiden Sie auch, was Sie weiterführen wollen. Das erlaubt Ihnen bei Bewerbungen um andersartige Positionen, sich trotzdem als kompetent zu präsentieren. Sie sind dann weniger Seiteneinsteiger als jemand, der nur einige Schwerpunkte anders gewichten möchte. Beispiel: Ein Journalist, der bisher für christliche Medien gearbeitet hat, dieses Feld aber verlassen will, könnte sich als Spezialist für werteorientierte Kommunikation vorstellen. Damit wäre er auch ein interessanter Kandidat für säkulare Medien oder Organisationen (Verbände, Stiftungen, NGOs) z. B. mit kulturellen, sozialen oder ökologischen Anliegen.

 

Falsche Bescheidenheit kein gutes Motiv

Gelegentlich wollen Medienprofis ihr Spezialgebiet allein deshalb wechseln, weil ihnen unangenehm ist, dass sie „schon so lange auf diesem Ticket unterwegs gewesen“ sind. Das ist Bescheidenheit am falschen Platz. Möglicherweise hatten Sie tatsächlich Vorteile, weil Sie immer innerhalb eines Gebietes (z. B. Themen, Arbeitgeber) geblieben sind. Gleichzeitig haben Sie gerade deswegen auch Nachteile, dass man Ihnen z. B. seltener als anderen zutraut, auch noch etwas anderes zu können. Halten Sie sich also nicht lange mit unnötiger Reue auf. Seien Sie stolz auf Ihren bisherigen Weg - und frei darin, ihn anders fortzusetzen.

 

Füllen Sie Netzwerks- und Wissenslücken

Die beiden wichtigsten Kategorien Ihrer Spezialisierung sind Ihr Wissen (theoretische Basis plus praktische Erfahrungen) und Ihre Kontakte. Beides sollten Sie sich, am besten noch im aktuellen Job, systematisch im gewünschten neuen Tätigkeitsfeld aufbauen. Planen Sie dafür im Kalender wenigstens zwei Stunden wöchentlich ein: Sich in die Themen einlesen, bestehende Kontakte aktivieren und neue aufbauen, gezielt weiterbilden. Beispiel: Wer als Journalist in die PR möchte, sollte Grundmethoden des Marketings erlernen, um z. B. eine Kommunikationskampagne konzipieren, budgetieren und umsetzen zu können.

(Wer diesen Schritt auslässt, findet sich oft in der Situation wieder, trotz aller Bemühungen um einen Wechsel immer wieder ähnliche Angebote wie bisher zu erhalten.)

 

Ist ein erfolgreicher Wechsel des Spezialgebietes also selbst im mittleren Lebensalter möglich? Mit genügend Vorbereitung und Ausdauer auf jeden Fall. Ich erinnere mich an viele ehemalige Kollegen und Klienten, die die Ressorts gewechselt haben (z. B. vom Sport in die Kultur), die Bereiche (z. B. von der Redaktion ins Management) oder die Medienkategorie (z. B. von Print zu TV). Unzählige Journalisten sind in die PR oder Unternehmenskommunikation gegangen, andere auch wieder den umgekehrten Weg. Wer seinen Wechsel schrittweise und langfristig plant, kann ihn auch gut umsetzen.

 

Zur vergangenen Job-Kolumne: Für einen Neuanfang ist es nie zu spät

 

Zum Autor: Karriere-Coach Attila Albert (geb. 1972) begleitet Medienprofis bei beruflichen Veränderungen. Er hat mehr als 25 Jahre journalistisch gearbeitet, u.a. bei der „Freien Presse“, bei Axel Springer und Ringier. Begleitend studierte er BWL, Webentwicklung und absolvierte eine Coaching-Ausbildung in den USA. www.media-dynamics.org.

 

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