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dpa

"Gegen die Wand gefahren": Zukunft der Leipziger Journalistik unklar

An der Universität Leipzig werden vorerst keine neuen Journalisten mehr ausgebildet. Der Studiengang steckt in der Krise. Wie ist er dort hinein geraten − und wie kommt er wieder heraus?

Leipzig (dpa) − Vor zehn Jahren schmückte sich die Journalistik der Universität Leipzig mit einem Superlativ. In einer Befragung von 240 Chefredakteuren sei die Leipziger Ausbildung als beste in Deutschland genannt worden, hieß es damals. Seitdem wurden die guten Nachrichten weniger, die Journalistik geriet zwischen Bologna-Reform und Sparmaßnahmen in die Krise. Am vorigen Dienstag zog die Universität die Reißleine. Zum Wintersemester werden keine neuen Studenten für den Masterstudiengang aufgenommen. Bis 2018 soll ein Neustart für die Leipziger Journalisten-Ausbildung her.

 

Die Nachricht sorgte in der Medienbranche für einiges Aufsehen. Schließlich haben ganze Generationen von Journalisten das Leipziger Studium durchlaufen. Der traditionsreiche Studiengang wurde 1916 als „Zeitungskunde“ gegründet. Auch in der DDR wurden die Journalisten in Leipzig ausgebildet. Der damaligen Karl-Marx-Universität wurde der wenig schmeichelhafte Spitzname „Rotes Kloster“ verpasst. Nach dem Mauerfall wurde umgebaut, 1993 das Institut für Journalistik gegründet. Zunächst wurden Diplom-Journalisten ausgebildet, 2009 kam im Zuge des Bologna-Prozesses die Umstellung auf den Master.

In der Universität sind sich viele einig, der Journalistik-Master sei gegen die Wand gefahren worden. Die Attraktivität sei gesunken, sagt Uni-Sprecher Carsten Heckmann. Bewarben sich 2014 noch 251 Interessenten für einen der jährlich 30 Studienplätze, seien es zuletzt nur noch 127 gewesen. Zudem gebe es ein Ressourcen- und Personalproblem. „Und es ist so, dass wir eine Unzufriedenheit der Studierenden konstatieren müssen“, sagt Heckmann. Die Frage ist nur: Woran liegt das? Und wie konnte es soweit kommen?

Leiter der Abteilung Journalistik ist Prof. Marcel Machill. Er sagt, die Universität und die Fakultät hätten die Journalistik in den vergangenen Jahren langsam, aber sicher kaputtgespart. „Die Journalistik hatte mal eine Ausstattung von drei Hochschullehrern und 6,5 Mitarbeitern. Jetzt sind wir bei einem Professor, einem Junior-Professor und zweieinhalb Mitarbeitern. Mit einer solchen Ausstattung kann man keinen Masterstudiengang fahren.»

Schon vor zwei Jahren habe er das Dekanat auf die Mängel hingewiesen. „Ich warne seit Jahren davor, dass die Journalistik ausgetrocknet wird“, sagt Machill. Außerdem hätten die Institutsmitarbeiter in der Vergangenheit ein Reformmodell vorgelegt, das aber nicht weiter verfolgt worden sei. „Wir sind uns ja einig darüber, dass Unzufriedenheit herrscht, bei den Studierenden, aber auch bei Lehrenden und Dozenten. Aber es ist nichts passiert“, sagt Prof. Machill.

Ähnlich − aber in Nuancen anders − sieht das der 2010 emeritierte Professor Michael Haller, der die Journalistik nach dem Mauerfall maßgeblich geprägt hat. Er nennt drei Gründe, warum die Entwicklung des Studiengangs so negativ war: Das Konzept und die personelle Ausstattung seien erodiert. Aber auch die Studiengangsleitung sei mitverantwortlich.

Der Umbau vom Diplom- auf den Masterstudiengang sei nicht gut gelungen, erklärt Haller. Zudem: „Mein Weggang wurde dazu benutzt, die personelle Ausstattung zu reduzieren. Und zwar in einem Umfang, dass dieser Masterstudiengang seither nur unter großem Einsatz zu bewirtschaften ist.“ Nach Hallers Abschied blieb nur eine ordentliche Professorenstelle übrig, die von Machill.

Im Fachbereich Sozialwissenschaften und Philosophie, von dessen Spitze − und nicht etwa von der Journalistik selbst − der Einschreibestopp ausging, will man den Schwarzen Peter nicht einer einzelnen Person zuschieben. Stattdessen soll nach vorne geblickt werden. Der Fakultätsrat hat eine Reformkommission eingesetzt, die sich am 10. Mai zum ersten Mal treffen soll. Ein Dutzend Beteiligte − Prof. Machill, Dozenten, Studenten, Praktiker aus der Medienbranche − sollen die Leipziger Journalistik neu erfinden. Ob das eine Jahr dafür ausreicht, wird von einigen in der Uni angezweifelt. Sprecher Heckmann sagt, der Zeitplan sei „sportlich“.

Der Deutsche Journalisten-Verband hat die Hochschule aufgefordert, „die traditionsreiche Journalistik-Ausbildung endlich wieder auf das hohe Niveau zu bringen, für das die Ausbildung an der Universität Leipzig einmal stand“. Auch Prof. Haller sagt, der Studiengang müsse unbedingt gerettet werden. „Ich glaube, diese Krise ist auch eine große Chance. In Teilen der Bevölkerung kündigt sich so etwas wie ein „Hallo, wach“-Erlebnis an. Die gesellschaftliche Funktion des Journalismus, nämlich zutreffend zu informieren, angemessen einzuordnen und kenntnisreich zu bewerten, wird bald wieder als bedeutsam und notwendig gesehen − vorausgesetzt, die Journalisten sind gut ausgebildet.»