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Thomas H. Kaspar will seine Redaktion zur modernsten in ganz Deutschland machen

Thomas H. Kaspar will seine Redaktion zur modernsten in ganz Deutschland machen Thomas Kaspar

Der Chefredakteur bei Ippen Digital erklärt, was seine Online-Redaktion von allen anderen unterscheidet, wie er entdeckt, was seine Leser wirklich interessiert und welchen Satz er allen Kollegen mit auf den Weg geben will. Von Kilian Trabert.

Nürnberg - Er will ganz nach oben: Beim 24. Forum Lokaljournalismus der Bundeszentrale für politische Bildung in Kooperation mit den „Nürnberger Nachrichten“ vom 20. bis 22. Juni berichtet Thomas H. Kaspar, Chefredakteur bei Ippen Digital, wie er seine Redaktion zur modernsten in ganz Deutschland machen will. Im Interview mit Kilian Trabert, Volontär bei den „Nürnberger Nachrichten“, erklärt er, was seine Online-Redaktion von allen anderen unterscheidet, wie er entdeckt, was seine Leser wirklich interessiert und welchen Satz er allen Kollegen mit auf den Weg geben will.

 

Auf Ihrer Visitenkarte steht Chefredakteur. Hat Ihre Arbeit mit diesem Beruf überhaupt noch etwas zu tun? 

Thomas Kaspar: Das kommt darauf an, wie sehr man die Produktentwicklung – mein Aufgabengebiet – mit der Redaktion verknüpft sieht. Ich sitze aber tatsächlich nicht in der Redaktion und leite Redaktionskonferenzen. Mein Kollege in der Chefredaktion, Markus Knall, ist für das Operative zuständig, ich für alles Strategische – sowohl was neue Formate, als auch was die Organisationsstruktur betrifft. 

 

Sie wollen Ihre Online-Redaktion zur modernsten in ganz Deutschland machen. Was sind die wichtigsten Schritte auf diesem Weg? 

Der entscheidende Unterschied ist, dass wir keine klassische Redaktion, sondern die Produktorganisation als Vorbild haben. Wir haben - neben dem Schichtdienst für Aktuelles - kleine agile Teams, die sich eigenständig mit Themen beschäftigen und komplett anders arbeiten als eine Redaktion. Im Moment arbeiten wir etwa daran, ein Engagement-Team aufzubauen. Sie überlegen, wie wir mit journalistischen Formaten Leser binden. Unsere Denkweise ist nachfragebasiert und kennzahlenorientiert. Das kenne ich in dieser Art von keiner anderen Redaktion. Die Ideen aus den Teams werden bewertet und analysiert. Das Projekt mit dem höchsten Score wird dann umgesetzt. Das läuft nicht nach dem Prinzip: „Wir machen eine Redaktionskonferenz und schauen mal, welche Geschichten wir heute reaktiv den ganzen Tag so machen.“

 

Das klingt nicht so, als würden bei Ihnen noch viele Journalisten arbeiten. 

Unsere Arbeit ist einfach ein anderer Rahmen für journalistische Kreativität. In unserem Newsroon sitzen klassische Journalisten. Was sich bei uns unterscheidet, ist das spezifische Online-Wissen der Kollegen. Ich glaube nicht, dass jeder alles können muss. Es gibt Kollegen, die reichweitenbasiert arbeiten, andere achten auf Leserbindung. Diese Typen gibt es schon immer, aber viele Redaktionen machen sich über ihre Rollenkonzepte gar keine Gedanken. Die Kollegen verbrennen, weil jeder alles machen soll, aber nichts wirklich richtig macht. 

 

Wie entdecken Sie, was die Menschen wirklich interessiert? 

Die Reichweiten-Teams analysiert mit SEO- und Keyword-Tools sowie Social-Listening-Centern, wo gerade das größte Dialogbedürfnis besteht oder Geschichten gut laufen. Das geschieht nach Pull- und Push-Faktoren: Wir wollen zum einen wissen, was unsere Leser suchen und zum anderen, worüber sie sich freuen, wenn wir sie damit füttern. Das eine ist Agenda-Setting und Orientierung, das andere das Erfüllen von Service-Bedürfnissen. 

 

Damit sind sie aber völlig abhängig von Analyse-Tools. 

Das stimmt. Ich selbst sage noch etwas anderes: Wir sind total abhängig von Kreativität, überprüfen sie aber in kürzeren Abständen, als das die Kollegen früher gemacht haben. Ideen sind das größte Geschenk der Welt. Aber wir haben zudem eine Instanz eingebaut, die uns zeigt, was die Idee überhaupt bringt.

 

„Ich weiß selbst, was der Leser will!“"oder „Wir entscheiden, was den Leser interessiert.“ Wie sehr nerven Sie diese Sätze von Kollegen? 

Mich nervt das total. In der Zentralredaktion bekomme ich das zum Glück nicht zu hören. Aber diese Enstellung gibt es. Erfolgreicher ist es natürlich, wenn die Kollegen kennzahlenbasiert arbeiten. Das Kernprinzip meines Lebens heißt Zuhören und nicht Vorschreiben. Ich versöhne mich aber mit den Kollegen: Wenn man dafür bezahlt wird, anderen immer Orientierung zu geben , ist es auch mal erlaubt, besserwisserisch zu sein. 

 

Auch einer klassischen Website muss sich der User -trotz grober Sortierung nach Ressort  - seine Infomationen selbst zusammensuchen. Ist das noch zeitgemäß? 

Unsere Use-Cases zeigen: Es gibt ganz unterschiedliche Loyalisierungs-Grade. Wir sehen in unserem User-Lab, dass der hochloyalen Nutzergruppe die Homepage extrem wichtig ist -aber sie nutzen die Navigation überhaupt nicht. Auch, weil die meisten die Website mobil aufrufen. Die Ausnahmen sind der eigene Heimatort und das Lieblingsthema. Es gilt daher: Jede einzelne Seite ist ein Landepunkt, von wo aus unsere Nutzer die Welt erschließen. Bisher haben wir es Google überlassen, auf welcher Seite die Suchmaschine die Nutzer auf unser Portal führt.  Jetzt erstellen wir systematisch SEO-Einstiegsartikel in Themenwelten. 

 

Sie dürfen in jeder Redaktion in Deutschland einen Satz aufhängen. Welcher wäre es?

Ein Zitat von Mark Zuckerberg, das auch bei mir hängt: „Stay focused and keep shipping.“ Etwas freier übersetzen: „Fokussiere dich und liefere deinem Leser Wertvolles.“

 

Newsroom.de-Tipp: Das Streitgespräch zwischen Thomas H. Kaspar und Joachim Braun, Ex-Chefredakteur der Frankfurter Neuen Presse, beim 24. Forum Lokaljournalismus am heutigen Mittwoch, 20. Juni 2018, wird ab 15.30 Uhr live dokumentiert auf  blog.drehscheibe.org/  und auf Twitter #FoLoJo18.

                                                                                              

Zur Person: Bei der „Passauer Neuen Presse“ und dem Bayerischen Rundfunk wurde Thomas Kaspar zum Journalisten ausgebildet und arbeitete - nach einem kurzen Abstecher als Musikdramaturg am Stadtheater Passau - als Redaktionsleiter bei der „PNP“. Später baute er als erster deutscher „Chefredakteur Community“ das Technikportal Chip Online zu seiner damaligen Größe auf. 2012 wechselte er als Managing Partner zur Internetagentur RaySono. Seit 2015 arbeitet er für Ippen Digital: Zunächst als Chief Product Officer, seit September 2016 ist er - zusammen mit Markus Knall - Chefredakteur der Ippen-Zentralredaktion sowie von merkur.de und tz.de.